Rückwärts – Vorwärts – Pferdeschritt

Heute leben wir in einer Zeit in der Drohnen für die Unkrautüberwachung, Robotortechnick für die Hackarbeiten, Sensoren zur Echtzeit-Bodenanalyse, selbstfahrende aus dem Weltall gesteuerte Traktoren die die Äcker pflügen, … keine futuristischen Spinnerein mehr sind. Sie sind eher der Stand der Technik auf Landmaschinenmessen geworden. Fast wie zum Trotz füllen sich die Kurse am Hödlgut, wo die Menschen wieder lernen möchten mit Zugtieren zu arbeiten. Fast scheint es als würde es wieder eine Bewegung geben, diese Methoden der bäuerlichen Bewirtschaftung neu kennenzulernen und neu zu denken.

Um den Umgang mit Arbeitspferden wirklich wieder von Neuem praktisch umsetzen zu können, sollte aber erst mal ein Blick zurück gerichtet werden. In die Zeit, da Pferde und Ochsen auf den Feldern der Regelfall, also der damalige Stand der Technik, waren. Die Bauern und die Rossknechte haben ihr Wissen von einer Generation auf die andere wie ganz selbstverständlich weitergegeben. Manche alte Filme und Fotos sind die Zeitzeugen aus denen wir heute viel erfahren können. In historischen Lehrbüchern ist noch einiges über die einen oder anderen Geräte zu finden. Was aber fehlt ist das ganz praktische Wissen. So zum Beispiel: Wie drehe ich, möglichst schonend und sicher den Pflug um? Welches Pferde spanne ich warum, wo ein? Wie verwende ich eine gezogene Sähmaschine am Hang? … ganz viele Fragen die heute beinahe vergessen wurden. Die Generation, welche in der Hochblüte des Bauernpferdes noch lebte, ist leider schon weg. Jene die in ihrer frühen Jugend noch Arbeitspferde tagtäglich eingespannt haben, wissen oft nicht mehr viel von den Details. Der Rückwärtsblick ist oft gezeichnet von einer gewissen Wehmut, da so viel vergessen worden ist, was wir heute so gut brauchen könnten.

Aus der Analyse der Vergangenheit des bäuerlichen Zugpferdes heraus müssen wir heute jedoch feststellen, dass wir immer noch auf einen Schatz aufbauen können. Wir haben in Österreich eine der großartigsten Zugpferderassen, den Noriker. Er ist durch gezielte und verantwortungsvolle Zucht beinahe unverändert erhalten geblieben. Das er größer gezüchtet worden ist, macht es uns heute etwas leichter den verdichteten Böden an den Kragen zu gehen. Sie sind großteils immer noch willige und gutmütige Helfer bei der Arbeit am Hof. Oft finden wir noch gut erhaltene Geräte die auch heute wieder hervorragend ihren Dienst auf den Betrieben leisten können. 

Durch den Einsatz von Arbeitspferden auf den Höfen bekommen wir eine Bewirtschaftungsform, die sich aus sich heraus die Kraft holt, stetig und über eine lange Zeit den Hof vorwärts zu bringen. Pferde werden mit jeder Stunde Beschäftigung besser, sie lernen dazu und so wie unser Vertrauen an sie wächst, verstärkt sich auch ihres an uns. Durch die hofeigenen Zucht, vermehren sie sich aus ihrer Natur heraus von selbst und geben das gewonnene Wissen und Vertrauen zum Bauern an ihre Fohlen weiter. Jede Pferdegeneration wird im besten Fall besser und wertvoller als die vorhergehende, ohne dass ein Zukauf notwendig gewesen ist. Ähnliches kann man auch über die Zugarbeit und ihre Auswirkung an sich sagen: Es ist keine Technik bisher auf unsere Höfe gekommen die nur annähernd so effektiv ist, wie die Arbeitsleistung der Pferde. Man kann sie über Nacht auf die Wiese stellen und am nächsten Tag wieder einsetzen um Lebensmittel zu erzeugen, nichts ähnlich Produktives wurde je erfunden. 

Wir spüren, dass Betriebe die wieder Arbeitspferde einsetzen, darauf unendlich stolz sind. Sie freuen sich jeden Tag auf das Einspannen und erzählen gerne über ihre neuen Erfahrungen, wie zum Beispiel, dass sie ihre Böden wieder spüren, dass sie das Heu wieder ganz neu schätzen gelernt haben, dass sie es genießen am Abend im Stall zu sitzen um ihre Pferde beim Fressen zuzuhören und dass ihr Betrieb einen großen Schritt vorwärt gemacht hat. Sie werden ganz neu von der Gesellschaft wahrgenommen und damit stellt sich oft auch der wirtschaftliche Erfolg ein. Diese Entwicklung ist auch noch lange nicht an ihr Ende gelangt und kann noch Großes bewirken.

Was macht aber der Pferdeschritt mit uns und mit unserem Hoforganismus? In vielen Bauerstuben und Küchen hängt noch heute ein Bild aus der Zeit, da die Familie ihre Felden noch mit den Pferden gepflügt hat und so manche Geschichten werden noch aus dieser Zeit erzählt. Eine Gedankenthese ist, dass unsere Ahnen, als sie sesshafte Bauern werden wollten, sich überlegen mussten, wie sie auf ihren gerodeten Flächen genug Brotgetreide und Früchte erzeugen konnten um die Familien zu ernähren. Nach dem sie selbst die Hackenpflüge durch die Böden zogen, haben sich feinfühlige Menschen zuerst mit den Rindern angefreundet, ihnen ein einfaches Geschirr gemacht und versucht damit ihre Böden aufzureißen. Diese Symbiose einer sensiblen Idee und Willenskraft des Menschen sowie der rhythmischen Kraft der geduldigen und gutmütigen Tiere und der wandelnde und verändernden Wirkung des Pfluges, ist es zu verdanken, dass wir heute so leben wie wir es kennen. Daher kann man davon ausgehen, dass beinahe jeder Vorfahren hatte, die gute Pferde- oder Ochsenpflüger waren und dass es in jedem von uns steckt. Darum berührt das Bild des Bauern mit seinem Gespann in der Ackerfurche auch heute noch oder vielleicht mehr denn je.

Bei all dem guten, dass wir der Zugtierarbeit abringen können, müssen wir uns unserer Verantwortung bewusst sein. Wir habe darauf zu achen, dass jedes Individuum entsprechend ihren Stärken, mental und körperlich, eingesetzt wird. Kein Tier darf heute leiden, weil es falsch ausgebildet, behandelt oder das unpassende Geschirr bekommen hat. Wir haben heute die Möglichkeit aus dem Vollen zu schöpfen und können Unwissenheit nicht als Grund von falscher Behandlung vorschieben. Noch nie gab es eine so niederschwellige Möglichkeiten etwas über das Arbeiten mit Zugtieren zu lernen und Österreich hat es Neueinsteigern so leicht gemacht, ihr Wissen darüber zu vermehren. Durch ein umfangreiches Angebot und finanzieller Unterstützung kann es sich beinahe jeder leisten, in diese uralte und doch so zeitgemäße Methode der bäuerlichen Bewirtschaftung einzusteigen.

Gerade diesen Vorwärtsschritt kann man so schön an dem Beispiel des jungen Waldarbeiters Dominik Zabilka erkennen. Seine Suche und sein Bedürfnis nach einer möglichst schonenden Methoden den Wald zu bewirtschaften, führten ihn zu den Pferden. Mit der Suche nach einer soliden Ausbildung kam er zum “Zertifikatslehrgang für den zeitgemäßen Einsatz von Arbeitspferden”. Er kaufte sich zwei feine Norikerpferde mit denen er gemeinsam über gut ein Jahr alle Arbeit die auf einem Hof mit Pferden gemacht werden können, erlernt hat. So kann er heute erfolgreich Holzrückeaufträge annehmen und nebenbei auch viele anfallende Arbeiten auf seinem kleinen Hof im Mühlviertel erledigen. Der Hof kann sich so seine Kraft zum Weiterbestehen aus sich selbst holen und damit dem jungen Bewirtschafterpaar ganz neue Perspektiven geben. So beginnen Erfolgsgeschichten …

Bericht von Wolfgang Ehmeier Fotos von Meggy Dalena Fischer.